Ostrauer Architektur 5, Poruba und Sorela
Die vielfältigkeit der Stadt Ostrava
Kaum eine Stadt in Tschechien ist so vielfältig wie die mährisch-schlesische Metropole Ostrau (Ostrava). Der Stadtbezirk Witkowitz (Ostrava-Vítkovice) ist vom Paul Kupelwieser im Stil der norddeutschen Backsteingotik erbaut. Der Stadtbezirk Oderfurt (Ostrava-Přívoz) ist von dem Architektekten Camillo Sitte im märchenhaften Jugendstil erbaut. Im Zentrum der Stadt finden wir ein Kaufhaus (Bachnerkaufhaus) von Erich Mendelsohn, einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, mit dessen modernem Columbushaus am Potsdamer Platz kann heute nicht mehr Berlin prahlen.
Der Bogen sollte ein Tor in eine neue Stadt sein. 1954
Als Vorbild diente ein bekanntes Gebäude aus dem Palastplatz in St. Petersburg. |
Der Baustil des sozialistischen Realismus (sog. Sorela)
Böse Zungen behaupten: die Ostrauer Bezirke befinden sich weit auseinander, man fährt und fährt und die eigentliche Stadt kommt nicht. Weit vom Zentrum entfernt (etwa drei Viertel Stunde mit der Straßenbahn) am westlichen Rande der Stadt liegt der Stadtbezirk Ostrau-Poruba. Es handelt sich um die größte Stadt auf dem Gebiet des tschechischen Schlesiens. Aber das wichtigste an Poruba sind die zwei Porubas Stadtbezirke, die unter Denkmalschutz stehen. Um den Baustil des sozialistischen Realismus zu bezeichnen, benutzt man heute die spöttische Benennung: „das stalinistische Barock“ oder am meisten eine Abkürzung: Sorela. Die Inspiration für diesen Baustil fanden die sozialistischen Architekten in der Renaissance, griechischen Antik aber vielmehr in den Bauten der 50er in Russland, konkret in Sankt Petersburg (damals: Leningrad).
Die ionischen Säulen sind im Soz. Real. Baustil (Sorela) sehr oft zu sehen. Manche Köpfe sind schon beseitigt. (als Sicherheitsmaßname?) |
Auch die vielen Durchgänge tragen zu guten Gefühlen bei und bilden die Atmosphäre.
Der „Bogen“ und das „Türmchen“
Anfang der 50er Jahre sollte das neue sozialistische Ostrava gebaut werden: mit einem Bahnhof Ostrau-Schönbrunn (Ostrava-Svinov), von dem aus eine breite majestätische Allee durch einen sog. „Bogen“ (oblouk) führen sollte (bei diesem Bau sollten sich die Architekten beim Generalstab der Kommunisten in Sankt Petersburg inspirieren lassen). Nich weit vom „Bogen“ steht ein bekanntes Wohnhaus, das den Namen „Türmchen“ (věžičky) trägt. Dieses Haus wurde nach der Vorlage eines Prager Renaissancebaus gebaut, den es heute nicht mehr in Prag gibt.
Das Türmchen steht in Poruba, das Renaissance Original in Prag existiert nicht mehr.
Statuen, Sgraffiti und Basreliefs
Beide in den 50er Jahren erbaute Stadtbezirke (1. und 2. Stadtbezirk) von Poruba sind architektonisch sehr niedlich. Die Architektur ist schön verziert: die Statuen hier sind sozialistisch aber menschlich: Mutter mit dem Kind, ein junger Pionier. In bedeutendem Maße wurde Sgraffiti mit Blumenmotiven angewendet. Die Plastiken an den Häusern haben auch zivile Motive – ein Arbeiter, der auf einem Fahrrad fährt, ein anderer geht mit dem Hund spazieren. Ein Merkmal der Siedlung aus den 50er Jahren ist, dass die Häuser entlang der Hauptstraßen mit einem Erdgeschoß gebaut wurden, in dem kleine Läden platziert waren.
Die Statuen schmücken die Stadt und die Häuser. Das Basrelief aus Terrakotta auf dem Aleschplatz und auf dem Dach vom Bogen. |
Eine Mischung?
Die Denkmalschützer sprechen von: „qualitativ hochwertigen Bauten, … die im architektonischen Detail an der Grenze von Kitsch … stehen. Gleichzeitig aber haben sie auch etwas Merkwürdiges an sich. Aus einer Mischung von traditioneller Stadt mit menschlichem Ausmaß und etwas Historischem sind hier zwei Bezirke einer neuen Stadt entstanden.“ (nach Martin Strakoš)
Alte Sgraffiti dekorieren die Häuser. Manche sind schon von dem Zahn der Zeit in ruiniertem Zustand. Irgendwelche sind renoviert. |
Podívejte se na video – Sorela – Ostrava-Poruba (1962): https://www.youtube.com/watch?v=fZ0EeQDagVE
- Was macht das Ostrauer Stadtviertel Poruba? rozrůstat se – aus/breitet sich, den ode dne – Tag zu Tag, blok – r Häuserblock, nezvyklý – ungewohnt,
- Aus welchem Stockwerk schauen Sie sich zusammen mit uns um? s Stockwerk – patro, sich um/schauen – rozhlížet se,
- Wie viele Stockwerke sollte dieses Haus haben? sollte haben – by měl mít
- Was herrscht hier noch heute? známý – bekannt, stavbařský – bau-, ruch – r Verkehr,
- Was ragt zum Himmel empor? Was fließt? ocelový – stahl-, výztuž – e Versteifung, r Beton,
- Wer wimmelt sich hier? sich wimmeln von – hemžit se, pouhý – bloß,
- Wer führt die Leute? mistr – r Meister,
- Wie viele Wohnungen, Geschäfte, Cafés und Kulturzentren sollen hier in der Zukunft (das heißt im Herbst) sein?
- Sind wir darauf neugierig, was für einen Kaffee sie hier kochen werden? jistě – gewiss, sicher
Podívejte se prosím na video – Sorela – Ostrava-Poruba (1962): https://www.youtube.com/watch?v=fZ0EeQDagVE
Keberlova. Dagmar. Das stalinistische Barock in Ostrava-Poruba. 29.11.2003 [on-line]. [Abfragedatum: 8. 6. 2017]. Zugänglich von: <http://incentraleurope.radio.cz/ice/issue/47969 >.
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